Ich glaube, ich häute mich. Meine Haut juckt und spannt, das Neue darunter gibt es bereits. Ich trage gerade die trockene Haut der Übergänge.

aus dem Zooplus MagazinSchon vor der Häutung von Schlangen entwickelt sich unter der alten Oberhaut die neue Außenhaut. Zwischen diesen beiden Hautschichten bildet sich ein Sekret, das Häutungsmilch genannt wird. Diese Flüssigkeit hat nicht nur eine Trübung zur Folge, sie verursacht vor allem die Trennung der alten von der neuen Haut.

Ich sammele die Zeichen des jahreszeitlichen Übergangs: Wie die Insekten zurück kehren! Hier eine vereinzelte Fliege, dort eine Hummel, dann mehr, dann Mücken, dann die Grillen. Die neue Luft, sie schmeckt morgens anders. All die Blumen und Blüten natürlich, auch hier einzelne Vorboten und dann die volle Dröhnung. Auch die Laubbäume, die keine Obstbäume sind, die blühen alle, eher Ton in Ton aber im Detail genau so verrückt.

Im Frühling zeigt sich von selbst, wo noch Leben drin steckt. Das treibt aus und grünt, und das andere darf vermorschen und wieder Erde werden, denn der Tod ist ja nur aus einem menschlichen Blickwinkel endgültig.

Es ist viel Leben zurzeit, viel Frage nach Wohnen und Essen und Pflegen, wer wen und mit welchen Kapazitäten.

Es ist so eine Anstrengung, mit allen Ebenen in meinem Leben in Verbindung zu bleiben.

aus WikipediaDarunterliegende Hautzellen wachsen, bilden eine neue Hautschicht und verhornen kurze Zeit später. Hierdurch steht das Tier nie eventuellen Einwirkungen von außen schutzlos gegenüber.

Ich gehe in die neue Woche mit dem Gedanken: Wenn alles so beschissen ist, darf es auch leicht sein.

Was natürlich nur heißt, so leicht wie möglich. Und trotzdem eine gute Erinnerung ist.

Ich darf Unterstützung annehmen. Ich darf eine Tütensuppe zu Mittag essen. Wir können nicht mit individueller Scham oder Schuldgefühlen strukturelle Probleme lösen.

aus dem Zooplus MagazinAufgrund der getrübten Augen sieht Ihre Schlange nun schlechter und auch die Haut ist durch die bevorstehende Häutung empfindlicher als normal. Sie werden zudem beobachten, dass Ihr Pflegling jetzt nervöser auf Störungen reagiert. In diesem Zeitraum, der etwa eine Woche andauert, ziehen sich die Tiere zurück, fressen nicht und möchten in Ruhe gelassen werden.

Ich will die Sicherheit, die ich habe, bei mir ankommen lassen, sie körperlich in mir manifestieren lassen. Mir Sicherheit vorleben lassen, Menschen und Situationen aufsuchen, die mir Sicherheit zeigen. Von meiner ukrainischen Gästin lernen, die täglich und trotz allem ihre Studierenden in Donetsk online weiter unterrichtet. Ich gebe all die Hilfe, die ich geben kann, ich nehme all die Hilfe an, die mir angeboten wird.

Ich hinterlasse mein altes ängstliches Natternhemd und gehe weiter.

(Ich zweifle nicht daran, dass ich meine inneren Wachstumsprozesse mit den äußeren einer Schlange vergleichen kann. Heißt natürlich, dass ich daran gezweifelt habe und es mir trotzdem erlaube.)

Ich höre in der Nacht mehrere Nachtigallen, Frösche, andere Trällerer und ein sehr lautes Quietschen und Schreien, ein Drama mit mehreren beteiligten Tierarten im dunklen Gebüsch.

Kali schreibt: I love that their new skin grows slowly, underneath the old, so that when it is finally, finally time for the old layer to peel off, it does so (still slowly) all at once. Snakes teach us about a kind of growth that is antithetical to capitalism - a deep kind of transformation that occurs under the surface, that looks like nothing is happening, until it’s time.

Der Forschungsbereich meiner Gästin ist Tourismus. Ich lerne von ihr: Das ist die Lehre der kleinsten Unterschiede, also auch der kleinsten Übergänge, der ortsbezogenen Diversität, des nicht-migrantischen Bewegens durch die Welt, es steht immer in Bezug zu einem „Zuhause“, es umfasst alles und vor allem Menschen. Sie schaut gerne Menschen an.

In welcher Geschwindigkeit bewegst du dich gerade, und welche Unterschiede nimmst du dabei wahr?

Was wächst in dir, auch wenn du es noch nicht sehen kannst?

Wie beeinflusst das eine das andere?

poka poka
Ri