GEDICHT eine sonnenblume
besteht aus vielen teilen
und ein blumenfeld
besteht aus vielen blumen
und vermissen wir einzelne
ja wir vermissen einzelne
aber sie gehen nicht verloren
nichts geht verloren
sind wir ein feld oder viele blumen
sind wir überhaupt blumen
sind wir nicht unsere käfer
sind wir unsere knackenden samen
diese schwarzweißen signale
die wir verbreiten lassen
die gehören doch auch zu uns
also gehört uns die weite auch
also auch der himmel
er gehört zu uns
und somit uns
BERICHTIch bearbeite zurzeit einen Rucksack, den ich auf dem Flohmarkt gefunden habe, aus der Kiste mit den Wegwerfsachen habe ich ihn gerettet und mich seiner angenommen wie einem verlausten Kätzchen. Er ist sehr schön, ein 80er Jahre Modell mit guten Farben und guten Fächern, aber er klebt innendrin, die Beschichtung löst sich auf und alles, was ich hinein stecke, kommt klebrig wieder hinaus.
Also begegne ich KLEB mit KLEB und sprühklebe Stoffe auf die Innenflächen des Rucksacks, und nutze diese Gelegenheit, um ihn weiter zu modifizieren, Fächer hinzuzufügen für meine am häufigsten gebrauchten Dinge in der Größe dieser am häufigsten gebrauchten Dinge, und einen Schlüsselanhänger und Hüfttaschen.
Der Unterschied des Rucksacks zum Beutel sind die Fächer und die schonendere Gewichtsverteilung. Ich betrachte ihn als einen Behälter, der mehr oder weniger sortiert eine Last für mich trägt, der mir einfachen Zugriff gibt oder in dessen Untiefen ich jedes Mal endlos kramen muss, wenn ich mein Fahrradlicht suche.
Und ich versuche, mir diesen gefundenen Behälter schöner und nützlicher zu machen, beobachte mich und meine Gewohnheiten, ich suche meine Prioritäten und mich nach ihnen zu richten.
Auch dazu zwingt einen ein Rucksack, denn alles geht ja nicht rein, ne.
Nee, alles geht nicht rein.
EXPERIMENTEEXPERIMENT MINI-POETISCH TELKO
Beim Mini-PoeTisch der letzten Telko schrieben wir gemeinsam zwei Hirnschwapps und dann schenkten wir uns im Chat Zeilen daraus, mit denen alle weiter arbeiten durften, und das war sehr intim und schön. Ich bin so dankbar um dieses unkomplizierte kleine Format, bei dem Kathrin und ich immer wieder neue Dinge und Ansätze ausprobieren können, und alle machen so neugierig und offen mit.
EXPERIMENT MICROBREAKS
Auch meine inzwischen chronischen Rückenschmerzen stellen Fragen nach meinem Alltag und meinen Prioritäten, mit dem, was mir Energie gibt und was mir Energie nimmt, und ich experimentiere nun (wieder mal) mit sogenannten Microbreaks, also mit regelmäßigen 1-minütigen Pausen, um die Sitzarbeit am Schreibtisch zu unterbrechen (siehe auch Microdosing).
Ich habe ein kleines Programm am Computer, das mir seit Jahren regelmäßig Erinnerungen an Microbreaks schickt, und ich klicke seit Jahren diese Erinnerungen meistens weg. Aber das macht ja auch irgendwie Sinn, ich habe mich (alle haben mich, wir haben uns alle) dazu trainiert, ein Maschinchen zu sein, zu beweisen, wie viel und wie gut wir arbeiten können, das steckt so tief in mir, immer noch, Arbeit ist mir Existenz und Identität, immer noch, die kann ich nicht für eine Minute unterbrechen. Also schalte ich lieber meinen Körper offline und tippitippele weiter.
Und das ist vielleicht auch okay und normal, dass ich dieses Verhalten noch nicht ganz raus bekommen habe, dass ich die Folgen davon so deutlich spüre in dieser Schmerzform, das ist einfach meine Kernaufgabe gerade, die sich durch alle Lebensbereiche zieht, das ist meine eigentliche Priorität: mich zu spüren und zu verinnerlichen, dass ich mit dem umgehen kann, was ich spüre.
Dafür habe ich nun das Programm so angepasst, dass meine eigenen Interventionen auftauchen, ich mir also selber alle zwanzig Minuten in meinen eigenen Worten einen Imperativ gebe, eine Idee für die Kleinstpause. Was zumindest bisher besser funktioniert als die generischen Vorschläge davor. Auch das sind Taschen an einem Rucksack, ein winziges Zeittäschchen, vorgeformt für genau ein Ding. Vorformen ist Mitdenken, ist Vorausdenken, ist sich kennen, ist sich auf die Schliche kommen, ist spüren, wo eine kleine Reibung ist und einen Fitzel Samt auf sie drauf sprühkleben.
EXPERIMENT SCHREIBMORGENDE
Ich habe begonnen, mich gelegentlich mit dem Freundi zum Schreiben an unseren Romanprojekten zu treffen, morgens um 8 im Zoom, eine furchtbar frühe Zeit für mich, aber sie funktioniert, um 11 lesen wir uns vor, was bis dahin entstanden ist, und es ist jedes Mal bisher etwas entstanden, wir jedes Mal ein erstaunliches Schrittchen gegangen, also zumindest alle beiden Male, die wir das nun bisher ausprobiert haben.
Diese Verabredungen sind eine Mini-Form der Schreibwoche, die ich ja selber für andere halte, sprich in der ich nicht so durchgehend für mich schreiben kann, aber ich glaube so sehr an diese Art der Behälter für das Schreiben, an auch diese vorgeformten Zeittäschchen – auch deshalb hier nochmal die Einladung an dich, falls du gerade immer wieder versuchst, etwas zu schreiben, egal was: Vielleicht ist die Schreibwoche ein guter Behälter für dich? (Wir haben auch noch einen Halbstipendiumsplatz frei.)
EXPERIMENT FABRIK-RUBRIK
Und noch ein Experiment, um mich in meinem eigenen Schreiben zu halten, mich im Fluss zu halten, meinen Roman (falls es ein solcher wird) zu Ende zu schreiben und ihn gleichzeitig schon in Teilen mit dir zu teilen, dich einzubinden, ihm also Luft zu geben, die Welt außen nach und nach an meine Welt innen zu lassen oder andersrum usw: Ich teste eine neue Rubrik hier, eine fünfte Rubrik, die Fabrik-Rubrik, denn „Die Fabrik“ ist der (nervige, aber inzwischen irgendwie festgefahrene) Arbeitstitel dieses Textes.
FABRIK (Ein neu entstandener Schnipsel aus meinem Text mit dem Arbeitstitel „Die Fabrik“)Und trotzdem hast du mich verraten
du kannst der doch nicht einfach ein Pferd
tätowieren wenn ich sage mach einen Fluss
wir heißen Studio für Konsequenz remember
das untergräbt alles so können wir
gleich einpacken –
aber Jott sagt nur:
Du wusstest vorhin auch nicht mehr weiter
remember
sei doch froh dass ich die Situation
gelöst hab dass diese Leonie
uns jetzt nicht weiter Stress macht.
Und trotzdem hat auch Jott jetzt noch mehr Biss, sie legt bewusster ihre Empathiereflexe ab, die Tätowiersituationen werden mehr Arbeitssituationen und weniger soziale Interaktionen, Jott hat sich eine neue Uniform angezogen, Jott trägt jetzt immer Käppi, Jott hat eine Agenda, Jott steht jetzt am Kopf und beide wollen sie Zeichen hinterlassen, wenigstens ineinander, aber eigentlich in der Welt, sie prägen jetzt ungehemmt andere, das enthält eine Aggressivität, die auch Jott erfasst, es ist eine Art von Rache.
An wem?
An der Zeit, die so lange untätig lag.
VERFLECHTUNGENDas Gedicht oben, die dritte Sonnenblume (hier 🌻 1, hier 🌻 2), entstand aus dem Material meines Hirnschwapps aus der Telko letzten Mittwoch, das ich heute bearbeitet und mit der KI Claude besprochen habe. Ich habe dafür den Text in die KI eingegeben mit der Bitte um „interessante Fragen“ dazu, und bei dieser Bearbeitung zum Beispiel in der ersten Zeile für mehr Klarheit aus einem Blütenkranz die Sonnenblume gemacht, also keine bahnbrechenden Veränderungen aber kleine Schärfungen. Siehe hier in diesem Zine für mehr zu meinem Umgang mit KI oder hier ein ganzer Workshop dazu (der nächste Woche Donnerstag stattfindet).