Reinheit als Konzept ist eher schädlich

Das Konzept der Reinheit ist öfter schädlich als hilfreich.

Zum Beispiel: Dass es Rassen oder Einzelpersonen gibt, die angeblich „reiner“ als andere seien, ist niemals ein hilfreiches Konzept gewesen.

Zum Beispiel: Die Angst, dass meine Brotarbeit, mit ihrer dazugehörigen Online-Präsenz und den dazugehörigen Rollen und Ansätzen, meine Kunstarbeit „ansteckt“, ihr also irgendwie die Reinheit nimmt, hat mich jahrelang daran gehindert, meine Arbeitsbereiche zu verbinden, also habe ich mich aufgeteilt und meine Zeit aufgeteilt und starre Grenzen zwischen dem einen und dem anderen gezogen, was anstrengender ist als nötig.

Dabei weiß ich nicht mal, mit was die Kunst sich hätte anstecken können, und ich habe damit viel zu lange verhindert, dass meine künstlerischen Herangehensweisen in alles andere hineinfließen dürfen. Vor allem war in diesem Kistchen-Konzept immer zu wenig Zeit für die Kunst, denn das war ja ein anderes Kistchen und zuerst musste ich die Brotjobkiste füllen.

Aber die Kunst darf nützlich sein und die Arbeit ist Kunst, und mir fällt alles viel leichter, wenn es sich verbinden darf.

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Zum Beispiel: John Coltrane formuliert hier eine Art von Gegenargument, indem er die Aufgabe gibt, immer genauer in sich hinein zu hören, um den Zuhörenden das „Beste“ zu geben, was in uns ist, die Essenz unserer Gefühle: „(…) there is the need to keep purifying these feelings and sounds so that we can really see what we’ve discovered in its pure state. So that we can see more and more clearly what we are. In that way, we can give to those who listen the essence, the best of what we are. But to do that at each stage, we have to keep on cleaning the mirror.Die Behauptung, dass Künstler:innen reine, pure, komplett neue Ideen in sich hätten und die in ihrem unberührten Zustand in die Welt bringen müssten, trägt zum Genie-Wahn bei und dazu, dass sichtbarere (oft privilegiertere) Menschen für Ideen gerühmt werden, die in weniger sichtbaren, verflochtenen und verfilzten, sich gegenseitig ansteckenden Bereichen von Subkultur gemeinschaftlich gewachsen sind.

Ich will mich dreckig machen mit der Welt, will nicht in weißen Hosen am Rand sitzen.