Literatur beschreiben

Kaśka Bryla zitiert in der PS #6 eine Mail, die sie der Lektorin ihres Debütromans Roter Affe schickte:

was das wort „unwiderstehlich“ im vorschautext angeht, so tut es mir leid, aber da habe ich echt ein veto, ebenso für dessen varianten: hinreißend, herrlich, verführerisch, … weder ich noch der roman sind eine schokoladentorte oder der nackte rücken einer frau! noch möchte ich in die richtung rezipiert werden. hingegen bin ich mit allem einverstanden was in folgende richtung geht: scharfsinnig, klug, intelligent, geistreich, … do i have to explain further?

Auf dem Cover meiner Ausgabe von Eileen Myles gesammelten Gedichten beschreibt die Lyrikerin Alice Notley die Gedichte darin als: „Heroic, monolithic, pure.“

Da würde ich mich vermutlich auch wehren, denke ich.

Notley bezieht diese Begriffe in einem Essay über Myles auf deren Kontinuität und unveränderte Grundhaltung über ihr gesamtes Werk hinweg – so kann ich die Begriffe zum Teil auch verstehen, losgelöst aus dem Kontext auf einen Cover finde ich sie problematischIch würde keine heroischen Texte schreiben wollen. Mutige Texte, oder aus Kämpfen gerungen, ja. Aber der Einzelkämpfermythos, der aus „heroisch“ und „monolitisch“ spricht, macht für mich keinen Sinn (und aus meiner Sicht auch nicht für die gute Löchrigkeit in Myles Texten). Ich will keinen Text aus einem Block hauen, sondern ihn Satz für Satz aus mir und der Welt um mich zusammensetzen. Ich will mit meiner Stimme schreiben, und ich will gesehen wissen, dass eine literarische Stimme nie nackt und einzeln ist, sondern immer auch andere Stimmen darin sind. Dass eine Stimme Vorfahren hat.

Und „pur“ würde ich erst recht nicht wollen – was sind „reine“ Texte überhaupt? – sondern ich will unbekümmert schreiben, unbehelligt von anderen und was sie denken, und ich will dabei erlauben, dass meine Gedichte dreckig werden können, dass meine Sprache klebrig ist und an ihr etwas hängenbleiben darf, dass sie sich anstecken darf an anderen und andere ansteckt. Dass sie genutzt wird.

There’s nothing to do but sit down and read this book.“ – Myles über The Undocumented Americans von Karla Cornejo VillavicencioDiese Sammlung von Klappentexten, die Myles für Bücher anderer Autor:innen geschrieben hat, macht mich wiederum sehr glücklich und sehr leselustig. Weil sie differenziert und persönlich und lustig sind, und weil Myles der Versuchung von Superlativen größtenteils widersteht.