Berechtigung, Kunst zu machen

Welchem Gott fühle ich mich verpflichtet? Das bleibt eine Frage, die ich nicht abschütteln kann.

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Ich denke über Kunst und Selbstsicherheit nach.

Zu sagen: Ich schreibe an einem Buch, ich mache Kunst (nicht „ein Projekt“, sondern Kunst), ich bin Künstler:in – das braucht so viel Selbstbewusstsein.

Mal habe ich’s, mal nicht. Ich begreife erst jetzt allmählich, dass ich das in Teilen steuern kann. Dass ich mich entscheiden kann, meine Impulse ernst zu nehmen und mir bewusst die Überzeugung aufzubauen, dass ich Kunst mache. Es muss ja damit anfangen, dass ich meine Arbeit, und mich, ernst nehme.

Ich frage mich dabei zwei-, nein, dreierlei:

1. Wann habe ich das Recht, zu sagen, dass ich Kunst mache?

Wieso bleibt wider besseren Wissens in mir der Wunsch, dass es eine Art von Jüngstem Kunstgericht gäbe, jemand, der aufteilt und sagt: Das hier ja, das dort nein?

(Weil ich gerne eine Sicherheit hätte, aber es nicht schaffe, mir die selber zu erarbeiten?)

2. Wann haben Andere das Recht, zu sagen, dass sie Kunst machen?

Erstmal im Sinne von: Wann gestehe ich es ihnen zu, was akzeptiere ich selber als Kunst? Habe ich dafür sichere und klare Kriterien?

Aber auch und vor allem im Sinne von: Wie können wir unsere Gesellschaft anders strukturieren, und zwar so, dass nicht nur weiße, gesunde Cis-Männer aus gutem Hause das mit größter Überzeugung sagen?

Wie bauen wir uns Strukturen für die am Rand? Brauchen wir am Rand überhaupt Strukturen? Ist das nicht auch gerade das Schöne, dass in der Strukturlosigkeit eine Freiheit liegt?

(Ja, das ist schön. Aber nur hilfreich, solange ich sie nutze.)

3. Und drittens: Wie wäre es mit der Überlegung, dass es vor allem dann Kunst ist, solange wir nicht das Recht dazu haben?

When I write something that I don’t have the right to write, that could fail, then I’m not being a professional – I’m being an artist. As an artist, my job is doing things that might not work.” — Seth GodinUnd sobald wir das Recht dazu haben, wird es Beruf und Profession und professionell, was alles wunderbar ist, aber eben keine Arbeit mehr am Rand?

Ist es dann eher Kunst, wenn ich von einem anderen Ort aus arbeite als aus dem Recht darauf? Aus einem anderen Selbstbewusstsein als dem erarbeiteten, ererbten, eingeübten? Von der kippligen Kante und stolz darauf?

(Kein Recht darauf und voll dabei.)


siehe auch das Bedürfnis, sich anstecken zu lassen, Berechtigung, über sich selbst zu schreiben, Privilegien und Arte Útil