Zeichentagebuch
Ein Zeichentagebuch ist ein Heft und eine Aufgabe, aber vor allem ist es ein Ort, an dem ich zeichne, an dem also mein Zeichnen und Sehen passiert.
eine Zeichnung aus meinem Tagebuch, eine Begegnung mit einer Taube auf der Fensterbank, während ich gerade einen Löffel Haselnussmus aß (mit geschlossenen Augen gezeichnet)
Die Grundidee dazu stammt von der Comiczeichnerin Lynda Barry.
Sie gibt in ihren Kursen verschiedene Varianten des „Daily Drawing Diary“ vor. Die meisten enthalten eine Art von schnellen Notizen über den Tag, eine kurze Liste davon, was du getan oder gesehen hast, und dazu schnelle Zeichnungen, die einen der beschriebenen Momente zeigen, immer mit einer Figur in Ganzkörperansicht. Weil ihr völlig klar ist, dass das für die meisten Menschen am schwierigsten zu zeichnen ist und weil sich das aber nicht ändert, wenn wir es nicht üben.
„The point of the daily diary exercise is not to record what you already know about what happened to you in the last 24 hours. Instead, it’s an invitation to the back of your mind to come forward and reveal to you the perishable images about the day you didn’t notice you noticed at all.“ – Lynda BarryFür Barry ist die Hauptfunktion des Zeichentagebuches, hinter die top-of-mind-Gedanken zu schauen (also alle großen und kleinen Sorgen und Alltags-Orga und womit wir uns sonst die meiste Zeit beschäftigen) und zu sehen, was sich in the back of your mind befindet. Also sehen lernen, wieder in Bildern sehen lernen, und lernen, was ich eigentlich gesehen habe.
Ich zeichne mich gerade durch mein drittes Heft, und habe einiges von Barry übernommen und einiges angepasst und abgewandelt. Im ersten Heft war ich vor allem immer wieder erstaunt, an wie wenig Gesehenes ich mich wirklich erinnere (war die Mütze blau, die Hose weiß? war es überhaupt eine Mütze? wie war das Licht, wo endete die Straße, war da ein Gebäude?).
Ich nehme andere Stifte, andere Farben, keinen Rahmen, setze Kleinkram drumrum.
Fragen, die dabei auftauchen: Was gilt für mich als „gesehen“? Macht es einen Unterschied, ob ich während des Tages notiere oder alles am Abend?